Ist der KI-Hype vorbei oder nicht? Die einen sagen so, die anderen so… Schauen wir genauer hin:
1 Was befeuert den Hype?
Immer realistischere Fotos, jetzt auch Videos, LLMs, die alle möglichen Uni-Tests bestehen, Chatbots und Avatare – man kann quasi live dabei sein, wenn sich die KI weiterentwickelt. Da fällt es nicht schwer, sich die Zukunft rosig auszumalen. Und „rosig ausmalen“ heißt für Unternehmen, entweder große Kosteneinsparungen oder tolle neue Umsatzpotenziale zu realisieren. Entsprechend hoch sind die Erwartungen.
2 Was kommt in den Unternehmen an?
Wenn man nicht gerade eine Kommunikations- oder Marketingagentur ist, verändern die aktuellen neuen Fähigkeiten von genAI noch keine Prozesse in relevanter Größenordnung. Da helfen auch die vielen Copiloten auf ChatGPT-Basis nicht weiter. Zum einen funktionieren sie in der Praxis bei weitem nicht so gut wie auf den Demos der Hersteller, zum anderen müssen die Unternehmen erst einmal ihre Daten in Ordnung bringen, damit die Copiloten sie nutzen können. Und billig ist der Spaß auch nicht – einfach mal die gesamte Belegschaft mit Copilot-Lizenzen auszustatten, geht ganz schön ins Geld. Hier gibt es also keine Einsparungen zu vermelden.
Aber was ist mit den vielen Tipps und Tricks rund um ChatGPT? Für freiberufliche Wissensarbeiter, die viel Text verarbeiten, sind das tolle Hilfen. Aber wie viele solcher Profile gibt es davon in Unternehmen? Und wie viele Stunden am Tag muss man mit ChatGPT arbeiten, um 20-30% Zeitersparnis zu erzielen? Auch hier: zu kleine Zielgruppe, keine große Wirkung über den Einzelnen hinaus.
3 Was wäre relevant?
Um in Unternehmen wirklich relevant zu werden, muss KI in die Kernprozesse Einzug halten. Hier sind die Hürden allerdings deutlich höher als bei der Anwendung durch einzelne Mitarbeitende: Möglichst weitgehende Automatisierung, gleichbleibende Qualität, vorhersagbarer Output bei jedem Prozessdurchlauf. Das ist schon bei herkömmlicher IT eine Herausforderung, bei nicht-deterministischen LLMs eine ganz andere. Wenn dann noch der Schutz vor Fehlbedienung und Manipulation hinzukommt, kann die Implementierung schon eine Weile dauern.
Generative KI wird in vielen Prozessen völlig neue Möglichkeiten eröffnen. Entsprechende Prototypen und Piloten laufen bereits vielerorts, der produktive Einsatz ist aber noch nicht überall absehbar. Nennenswerte Einsparungen sind daher (noch) nicht zu erwarten.
4 Zwischenfazit
Große Erwartungen, noch zu geringe Effekte: Die Enttäuschung ist da. Der Enthusiasmus lässt nach, mehr Realismus kehrt ein.
5 Wie geht es weiter?
Der Hype-Zirkel wird nicht zum ersten Mal durchlaufen, die Vorhersage fällt daher leicht: So wie die weltverändernden Fähigkeiten der generativen KI hochgejubelt wurden, wird es für viele KI-Versteher bald en vogue sein, ihre Enttäuschung über KI im Unternehmensalltag auszudrücken. Man habe es doch schon immer gewusst, auf kurzfristige Hypes sollte man sowieso nicht hereinfallen usw. usf.
Währenddessen entwickeln die echten KI-Experten im Hintergrund die Technologie, ihre Werkzeuge und Einsatzmöglichkeiten weiter. Viele neue Funktionen mit KI werden kommen, vielleicht auch ohne dass KI draufsteht. Die Technologie wird zur Selbstverständlichkeit.
Und diejenigen, die den vermeintlichen Hype verpasst haben, werden sich irgendwann wundern, warum sich die Konkurrenz/der Markt/die Welt ohne sie weiterentwickelt hat. Hätte ja keiner ahnen können.
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